Predigt zu Mk 2,1–12

Predigt zu Mk 2,1–12

Predigt zu Mk 2,1–12

# Predigten Superintendent

Predigt zu Mk 2,1–12

Gottesdienst in Grafenwald
19. Sonntag nach Trinitatis, 26.10.2025

Predigttext: Markus 2,1–12

Liebe Gemeinde!

Was ist das eigentlich, eine Gemeinde? Die Geschichte von dem Mann mit der Lähmung und seinen Freunden ist glaube ich hilfreich dabei, über diese Frage nachzudenken. Da steht übrigens: Sie kommen und bringen einen Mann, getragen von vier Männern. Es sind also vielleicht nicht nur vier Männer, sondern eine ganze Schar von Leuten, die hier für ihren gelähmten Freund aktiv werden.

Als sie zu dem Haus kommen, in dem Jesus ist, ist da eine Volksmenge. Und dann sind da noch die Schriftgelehrten.

Wer also ist „die Gemeinde“ in dieser Geschichte? Sind es die Leute, die ihren gelähmten Freund auf eine Matte legen und zu Jesus tragen? Oder sind es die vielen, die schon da sind? Ist es der Eigentümer des Hauses, der anschließend ein Wunder gesehen hat und sein Dach flicken muss? Sind die Schriftgelehrten wohlmöglich  „die Gemeinde“, also die, die darüber urteilen, was rechtgläubig ist und was nicht? Oder es „die Gemeinde“ eigentlich der Mensch auf der Matte, von anderen zu Jesus getragen?

Ich merke, dass alle diese Figuren interessant sind. Und dass wir als Gemeinde von ihnen allen etwas lernen können.

Von den Freunden können wir lernen, nicht aufzugeben. Unsere Aufgabe ist es nicht, die Sünden zu vergeben. Das kann nur Jesus allein. Es ist aber unsere Aufgabe, Menschen den Weg zu zeigen und sie zum Glauben einzuladen. Dabei sollen wir uns nicht davon abhalten lassen davon, wo die vermeintlichen Menschenmassen sind und ob der Weg schwierig ist.  Es wird einen Weg geben. Eine Gemeinde ist eine Gemeinschaft von Menschen, die sich gegenseitig hilft, zu Jesus zu kommen, und die dafür etwas riskiert.

Und was ist mit der Volksmenge, die da schon im Hause ist. Das ist ja auch eine Gemeinde, denn die haben alle den guten Teil gewählt (Lukas 10) und sich zu Jesus gesetzt, um ihm zuzuhören. Und doch sind sie im Weg. Dabei muss die konkrete Hilfe immer zuerst kommen. Hungrige brauchen zuerst zu Essen, Kranke brauchen zuerst Hilfe, Frierende brauchen zuerst warme Kleidung. Und dann kann Gottesdienst gefeiert werden. Eine Gemeinde ist eine Gemeinschaft, in der die frohe Botschaft in Tat und Wort gelebt wird. Sie wird Platz machen für die Kranken und Gelähmten, die Armen und  Ausgestoßenen auch unserer Tage.

Die Hausherren mit dem Wunder und dem kaputten Dach sind vermutlich die beiden Fischer Simon und Andreas. Die Bibel berichtet, dass Jesus bei den beiden wohnt, wenn er Kafarnaum besucht. Ihr Haus ist wahrscheinlich der Versammlungsraum. Die Menschen kamen damals in den Privathäusern zusammen. Das gilt auch für die ersten christlichen Gemeinden. Man traf sich praktischerweise bei der Familie mit dem großen Wohnzimmer. Auch das ist Gemeinde: eine gastfreundliche Gemeinschaft. Es geht bei einer christlichen Gemeinde nicht ums Gebäude, sondern um die Menschen. Deshalb kann man sich überall treffen: Bei Menschen zu Hause, vor der Stadtmauer, in der Synagoge oder auf dem Marktplatz.

Die Schriftgelehrten? Sie sind auch dabei. Da ist ein neuer Lehrer in der Stadt, den wollen sie hören. Sie achten darauf, dass die Lehre dem Judentum entspricht. Für Sie kommt die Buchstabentreue an erster Stelle. Und sie bekommen die Gelegenheit, etwas zu lernen. Ja, Sünden vergeben kann nur Gott. Und offenbar Jesus von Nazareth. Was sagt das, schlau kombiniert, über Jesus von Nazareth? Wir erfahren nicht, ob die Schriftgelehrten am Ende auch zu denen gehören, die außer sich geraten und Gott loben. An anderer Stelle in der Bibel stehen Hinweise darauf, dass die Schriftgelehrten sich gegen Jesus abgesprochen haben, um ihn loszuwerden. Das steht an unserer Stelle aber nicht. Vielleicht haben sie auch dazugelernt. Das ist auch Gemeinde: Eine Gemeinschaft von Menschen, bei denen Diakonie vor der Dogmatik, also die Fürsorge vor der rechten Lehre kommt. Eine neugierige Gemeinschaft, die sicher weiß, dass sie nicht alles weiß, und deshalb neugierig auf Gott bleibt.

Oder ist die Gemeinde der Mensch auf der Matte? Ein hoffnungsloser Fall. So wie er auf seine Freude angewiesen ist, sind wir als Gemeinde – und als christliche Kirche – auf Jesus angewiesen, dass er uns zu Gott trägt und vor Gott bringt. So wie unser Freunde auf der Matte können wir nur gut in die Zukunft gehen, wenn Jesus unsere Schuld vergibt.

Es lohnt sich, liebe Gemeinde, immer mal zu fragen, was wir eigentlich meinen, wenn wir von „der Gemeinde“ sprechen. Die Evangelische Kirchengemeinde Bottrop hat fast 20.000 Menschen, die zu ihr gehören. Sind die alle gemeint? Oder sind diejenigen gemeint, die regelmäßig zum Gottesdienst kommen? Oder sonst am Gemeindeleben teilnehmen? Oder sind nur die hauptamtlichen Mitarbeitenden gemeint, oder die Gemeinde als Kitaträgerin? Es lohnt sich, sich dann klar zu machen, wen wir meinen, wenn wir von „der Gemeinde“ sprechen.

Ein paar gemeinsame Nenner bleiben aber: Alleine kann niemand Christ werden und bleiben. Wir brauchen einander. Eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig hilft, zu Jesus zu kommen, und die dafür etwas riskiert. Eine Gemeinschaft von Menschen, in der die frohe Botschaft in Tat und Wort gelebt wird und die in ihrer Mitte Platz macht für die Ausgestoßenen unserer Tage. Eine gastfreundliche Gemeinschaft, die nicht auf Gebäude aus Stein angewiesen ist. Eine neugierige Gemeinschaft, die sicher weiß, dass sie nicht alles weiß, und deshalb neugierig auf Gott bleibt. Eine Gemeinschaft, immer angewiesen auf Gottes Liebe und Güte.

Das alles sind wir schon und wir werden es immer wieder neu. Die Formen ändern sich. Der Auftrag bleibt: Gemeinde von Jesus Christus in der Welt zu sein. In Grafenwald. In der Region um die Pauluskirche. In der Ev. Kirchengemeinde Bottrop. Im Ev. Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten. In der Ev. Kirche von Westfalen. In der EKD. In der unsichtbaren Kirche von Jesus Christus, die er mit seinem heiligen Geist in Zeit und Raum zusammenhält. Eine Gemeinschaft von Menschen.

Und euch ist gesagt:

Deine Schuld ist dir vergeben. Nimm deine Matte und geh hin.

Amen.

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