07/11/2025 0 Kommentare
Ansprache zur Entpflichtung
Ansprache zur Entpflichtung
# Predigten Superintendent

Ansprache zur Entpflichtung
Ansprache zur Entpflichtung von Pfarrerin i.R. Martina Gerlach
Martinskirche Bottrop, 24. Oktober 2025
Meine liebe Martina,
in diesem Gottesdienst verabschieden wir dich aus deinem Dienst als Pfarrerin des Evangelischen Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten. Wir danken Gott für deinen Dienst, für den Einsatz deiner Gaben und Kräfte, für deine Treue und Liebe. Du hast das Evangelium von Jesus Christus gepredigt und in vielfältiger Weise Gottes Liebe und Treue bezeugt.
Liebe Martina, nicht alles im Dienst einer Pfarrerin liegt vor Augen. Vieles geschieht im Verborgenen. Und doch können Früchte deines Wirkens wahrgenommen werden. Dafür sind wir dankbar.
Alles hat seine Zeit, diesen Bibelvers hast du für die Einladung ausgesucht. Natürlich, alles hat seine Zeit: ein aktives Berufsleben hat seine Zeit, und der Ruhestand hat seine Zeit. Doch so einfach ist es nicht mit der Zeit, schon gar nicht, bei Gott, in deren Hände Anfang und Ende, Zeit und Ewigkeit stehen.
So einfach ist es nicht: Es folgt nicht auf das Eine automatisch das Andere, es geht nicht alles seinen natürlichen Gang, es folgt nicht alles einer vorausbestimmten, wohlmöglich ewigen Ordnung. Im Gegenteil: Veränderung ist möglich! Neues kann werden! Und wer sollte das besser wissen und erzählen als du, liebe Martina?
Du kamst vor über 35 Jahren in unseren Kirchenkreis, nach dem Studium in Marburg und Bochum. Als du am 30. September 1990 von Helmut Disselbeck im Barkenberger Zentrum ordiniert wurdest, warst du die erste Frau einer über 12 Generationen langen Linie von Pfarrern deiner Familie. Die erste, und wie du heute leider feststellen musst, auch die letzte. Im Team in der Wulfener Kirchengemeinde hattest du es auch mit lauter Männern zu tun und hast da schon deine eigene Stimme hörbar gemacht. Und das war für viele Frauen so wohltuend, dass es aus dieser Zeit Kontakte gibt, die bis heute geblieben sind. Du hast mir von der Frauengruppe erzählt, mit der du Gottesdienste vorbereitet hast: Die eigenen, existenziellen Gedanken mit dem Bibeltext zusammenzubringen und hörbar zu machen, das war dein Anliegen.
Nach der Zeit in der Gemeinde kamst du zum Kirchenkreis: Für das „Frauenthema“ (So können es übrigens nur Männer sagen!) wurdest du zur theologischen Referentin und hast gemeinsam mit Petra Masuch-Thies die Themen der Gleichstellung, aber insbesondere die Perspektive der feministischen Theologie im Kirchenkreis stark gemacht. Die Begleitung des Bezirksverbandes der Frauenhilfe war dir wichtig, ebenso wie der Frauenbeirat im Kirchenkreis. Für Gruppen und Kreise ebenso wie für einzelne – und übrigens nicht nur für Frauen – warst du eine hoch angesehene Referentin, Predigerin und Seelsorgerin.
Die „Dekade zur Überwindung der Gewalt“ wurde zu deinem Thema ebenso wie die sexualisierte Gewalt in der Kirche. Dass du ganz selbstverständlich über viele Jahre eine Ansprechperson für Betroffene warst, rechne ich dir hoch an. Als wir vor vier Jahren endlich ein Kirchengesetz zum Schutz vor sexualisierter Gewalt bekommen haben, gehörtest du zu den ersten, die danach gefragt haben: Was machen wir denn jetzt? Und deine eigenen Erfahrungen und Perspektiven sind maßgeblich in unser Schutzkonzept eingeflossen, weil du in der Projektgruppe mitgearbeitet hast.
Liebe Martina, alles hat seine Zeit, ja, und es lohnt sich, dafür zu kämpfen. Als du 1991 deine Diagnose – Multiple Sklerose – bekommen hast, hat sich das für dich gezeigt. Ein schwerer Rückschlag, nicht nur beruflich, sondern auch privat und persönlich. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis du deine Hoffnung wiedergefunden hast. Den Kontakt zu deinem Körper hast du neu gefunden und damit vielleicht auch die Körperlichkeit deiner feministischen Theologie neu entdeckt. Rituale zu entwickeln, die Hände zum Segen aufzulegen, das sind nur zwei Beispiele für Herzensdinge von dir.
Du hast das Wort von der Zeit aus dem Buch Qohelet ausgesucht, das ist übrigens ein feminines Partizip im Hebräischen: die Sammlerin. Zu dieser Predigerin möchte ich noch einen Satz Gottes hinzufügen, den der Prophet Jeremia (31,17) gesagt hat:
Es gibt eine Hoffnung für deine Zukunft, spricht der HERR.
Das ist heute die Tageslosung, und wir brauchen solche Hoffnung, insbesondere in Zeiten wie diesen, in denen Rassismus, Sexismus und Frauenfeindlichkeit wieder lauter werden. Alles hat seine Zeit, ja. Und es gibt eine Hoffnung für deine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt. Liebe Martina, darin bist und bleibst du uns ein Vorbild.
Es gibt eine Hoffnung für deine Zukunft, spricht der HERR.
Mit dem Eintritt in den Ruhestand beginnt für dich eine neue Lebensphase. Auf Grund deiner Ordination bleibst du berufen, zu predigen, zu taufen und die Feier des heiligen Abendmahls zu leiten. Du bist aber nun frei von den dienstlichen Pflichten in unserem Kirchenkreis.
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