Bericht zur Kreissynode

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# Predigten Superintendent

Bericht zur Kreissynode

Hohe und liebe Kreissynode!

Die Kirchen in der Welt feiern morgen den Silvestertag. Zumindest, wenn es um das Kirchenjahr geht: Mit dem 1. Advent beginnt am Sonntag ein neues, also ist heute der letzte Tag des alten Kirchenjahres.

Ich komme aus einer Familie von Gärtnern und Floristen und bin in einem Blumengeschäft aufgewachsen. Diese Zeit zwischen Totensonntag und dem 1. Advent hat mich schon immer fasziniert.

Am Totensonntag gibt es Kränze und Trauergestecke, und damit hatten die Floristinnen auch alle Hände voll zu tun. Blumengeschäfte dürfen sonntags für ein paar Stunden aufmachen, und in der evangelischen Gegend war das ein wichtiger Tag. Im Gottesdienst werden die Namen der Menschen genannt, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Und viele gehen auf den Friedhof und besuchen die Gräber ihrer Lieben.

Und wenn der Laden dann am frühen Nachmittag geschlossen wurde, ging der Umbau los: Trauerflorisitik raus – Adventskränze, Nussknacker, Kerzen, Lichterketten und Engel rein. Bis tief in die Nacht arbeiten die Floristinnen, damit es dann Advent werden kann. Für mich als kleiner Junge ist das ein wunderbarer Moment, wenn die erste Weihnachtsmusik aufgelegt wird und die großen Behälter mit Zimtstangen, Nelken und Orangenscheiben geöffnet werden, und es dann im ganzen Haus anfängt, nach Weihnachten zu riechen.

Mittlerweile beginnt auch im Blumenladen meiner Familie die Adventszeit früher. Heute stehen die Adventskränze neben der Trauerfloristik im Regal. Und das gefällt mir auch.

Ich glaube nämlich, dass die Zwischenzeiten im Leben wichtig sind. Trauer raus, Freude rein, so einfach ist es meistens nicht. Wer eben noch todtraurig war, wird nicht morgen voller adventlicher Vorfreude auf Weihnachten sein. Deshalb mag ich das so, wenn sich der Advent in der Woche nach dem Totensonntag heranschleichen darf.

Wir sagen ja eigentlich lieber Ewigkeitssonntag, denn Jesus sagt in der Bibel: „Wer an meinem Wort festhält, wird in Ewigkeit nicht von Gott getrennt.“ Nicht der Tod ist das Ziel, sondern die Ewigkeit, der ewige Advent. Dafür braucht die Seele Zeit, und deshalb mag ich diese Zeit „zwischen den Jahren“ so gerne. Vielleicht ist das ganz gut, wenn der Adventskranz neben dem Trauerkranz stehen darf. Beides hat seine Zeit und seinen Platz bei Gott.

Wo er uns will und braucht (Die Wahl)

Vertraut den neuen Wegen und wandert in die Zeit! Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid. Der uns in frühen Zeiten das Leben eingehaucht, der wird uns dahin leiten, wo er uns will und braucht.[1]

Mit der 2. Strophe aus dem Lied „Vertraut den neuen Wegen“ bin ich in dieser Woche ganz intensiv unterwegs gewesen. Gott wird uns leiten dahin, wo Gott uns will und braucht. Mit dieser Haltung habe ich versucht, in der Bewerbung um das Amt des Theologischen Vizepräsidenten einen offenen Sinn zu bewahren.

Im Sommer hat der Nominierungsausschuss der Landessynode mich gebeten, eine Bewerbung zu erwägen. Über die Anfrage habe ich während der Elternzeit sorgsam nachgedacht und schließlich lange Gespräche mit Vizepräsident Ulf Schlüter und unserer neuen Präses, Dr. Adelheid Ruck-Schröder, geführt. Dabei wurde mir klar, wie groß die Möglichkeiten im Moment sind, an dieser Stelle die Zukunft unserer Kirche strukturell wie inhaltlich mitzugestalten. Sie kennen mich – und Sie werden ahnen können, dass ich darauf große Lust gehabt hätte. Ich habe mich also beworben. Neun Bewerberinnen und Bewerber gab es, und nach Vorstellungsgesprächen hat der Nominierungsausschuss also zwei Menschen ausgesucht.

Am vergangenen Sonntag haben Superintendentin Susanne Falcke aus dem Kirchenkreis Steinfurt-Coesfeld-Borken und ich uns der Kreissynode vorgestellt. Es gab einen engagierten Austausch zu den Fragen und Themen, die wir angesprochen hatten.[2] Die Wahl war am Dienstagvormittag, und die Evangelische Kirche von Westfalen hat zum ersten Mal eine Theologische Vizepräsidentin.

Mit der Kollegin und über ihre Wahl habe ich mich ernsthaft und aufrichtig gefreut, auch wenn ich mir natürlich ein anderes Wahlergebnis gewünscht hätte. Im Namen unseres Kirchenkreises habe ich Susanne Falcke herzlich gratuliert. Die Einführung – und die Verabschiedung unseres jetzigen Theologischen Vizepräsidenten Ulf Schlüter – wird am 25. April 2026 in Dortmund sein.

Auf dem Rückweg im Zug und in den Tagen auf dem Weg zu unserer Synode heute Abend ist mir klargeworden, wohin Gott mich also leitet: Hierher, nach Gladbeck, Bottrop und Dorsten. Ich bin ausgesprochen gerne Superintendent dieser Synode. Die Zusammenarbeit mit Ihnen allen macht mir viel Freude, ich empfinde mein Wirken als sinnvoll und fühle mich in unseren drei Städten und ihren Kirchengemeinden sehr wohl. Für das ökumenische Miteinander, für unser Diakonisches Werk, auch für Kontakte in die Politik in unseren Städten – bin ich außerordentlich dankbar. Die Aufgabe bleibt: Gott ehren und den Menschen dienen.

Herzlich möchte ich allen danken, die mich mit lachenden und weinenden Augen bei dieser Bewerbung begleitet haben, per Mail, per Telefon, im Livestream, in persönlichen Gesprächen und natürlich im Gebet. Vor allem unseren Synodalen bin ich dankbar: Michael Hoffmann, Ute Scharf und Gaby Telöken. Vielen Menschen haben mir gesagt oder geschrieben, dass sie für die Synode und uns als Kandidierende beten. So war die Bewerbung auch ein im wahrsten Wortsinn geistlicher Weg.

„Nicht ein Sein, sondern ein Werden“ (KO-Revision)

Vielleicht haben Sie wahrgenommen, dass wir in der Landeskirche derzeit an einer Überarbeitung (Revision) der Kirchenordnung arbeiten. Die Grundstruktur der Kirchenordnung ist – obwohl es in der Zwischenzeit knapp 80 kleinere und größere Änderungen gab – seit 70 Jahren unverändert. Die neue Kirchenordnung soll ab 2028 gelten und voraussichtlich im November 2026 beschlossen werden.

Es ist gut, dass es hier eine Überarbeitung gibt. Denn natürlich ist die Kirchenordnung auch und vor allem eine Reaktion auf den Kirchenkampf während der Nazi-Zeit. Die Spaltung, die damals durch die kirchlichen Provinzen der altpreußischen Union ging, sollte sich nicht mehr wiederholen können. Wenn wir heute eine Kirchenordnung neu denken müssten, würden wir zum Beispiel für Ökumene, Digitalität, den Kontakt zur Zivilgesellschaft und das Verhältnis zu aus der Kirche Ausgetretenen ganz neue Sprache finden. Landeskirchenrat Dr. Conring hat zu den Prinzipien der neuen Kirchenordnung bei unserer Synode vor einem Jahr ausführlich berichtet. In die Überarbeitung fließen eine ganze Reihe Änderungsvorhaben und Anpassungen ein, so dass es tatsächlich zu einer umfangreichen Überarbeitung wird. Dazu gehört auch die Überarbeitung der Leitungsstruktur und insbesondere des Präsesamtes, die wir auf der Landessynode im Frühjahr 2024 beschlossen haben.

In einem gestuften Beteiligungsverfahren werden die Kirchengemeinden und Kirchenkreise und auch interessierte Gruppen, Kreise und Einzelpersonen an der Revision beteiligt. Die ersten beiden Text-„Pakete“ liegen jetzt vor: Darin geht es um die Grundartikel und um Kirchliches Leben. Das Landeskirchenamt lädt zu Zoom-Veranstaltungen ein, in denen die Texte vorgestellt werden. Wenn alle Pakete vorliegen und alle Anregungen bearbeitet sind, wird es für die Kreissynode die Möglichkeit geben, zum gesamten Ordnungstext Stellung zu nehmen.

Für unseren Kirchenkreis schlägt der Kreissynodalvorstand vor, dass wir uns schon jetzt am Stellungnahmeverfahren beteiligen. Dabei hoffen wir auf Ihre Mitarbeit! Auf unserer Internetseite (www.kirchenkreis.org) haben wir unter „Kirchenkreis“ eine Seite zur „KO-Revision“ eingestellt. Dort finden Sie weiterführende Links und alle bisher veröffentlichten Dokumente.

Um in den Austausch zu kommen, laden wir im neuen Jahr zu zwei hybriden „Resonanzräumen“ ein, in denen wir die jeweiligen Pakete erörtern und unsere Fragen und Anregungen sammeln wollen. Dazu sind Sie alle herzlich eingeladen. Die Termine stehen auf der eben genannten Internetseite, dort können Sie sich auch direkt anmelden. Ich danke Pfarrerin Annika Wilinski und Pfarrer Dr. Andreas Deppermann, sie übernehmen jeweils die Gesprächsleitung. Die Ergebnisse der Resonanzräume gehen dann im Februar in den Kreissynodalvorstand, der sie als Rückmeldung des Kirchenkreises in das Beteiligungsverfahren einspielen wird. Selbstverständlich können Sie Ihre Fragen und Anregungen auch direkt an das Projektbüro im Landeskirchenamt schicken.

Auf dem Weg (Vereinigung der Kirchenkreise)

In unserer Region werden wir weitere Schritte hin zur Vereinigung der Kirchenkreise unternehmen. Die Recklinghäuser Synode hat im Sommer beschlossen, dass sie die Vereinigung mit unserem Kirchenkreis zeitnah anstrebt, und zwar am besten zum 1. Januar 2028. Das hat mit dem Wahlturnus unserer Gremien zu tun, außerdem stünde sowohl für Superintendentin Karpenstein als auch für mich im Frühling 2028 die Wiederwahl an. Das wäre ungünstig, wenn wir erst alles neu wählen und ein Jahr später in die Vereinigung gehen und alles wieder zurückstellen.

Diese ambitionierte Zeitleiste widerspricht unserem Beschluss aus dem vergangenen November nicht, und so haben beide Kreissynodalvorstände bei einer Klausurtagung im September zusammen überlegt, wie das gehen kann. Mir ist klar geworden, dass sich unsere jetzige Planung in zwei wesentlichen Punkten von dem letzten Vereinigungsversuch aus den 2000er-Jahren unterscheidet:

Erstens planen wir jetzt bewusst eine Vereinigung in Vielfalt. Die Haltung, mit der wir einander begegnet, ist Neugier – und nicht Skepsis. Wir werden nicht versuchen, die Unterschiede zu nivellieren. Das bedeutet, dass wir verschieden bleiben können, dürfen und sollen. Wenn es Fragen gibt, die Antworten brauchen, werden wir die im neuen Kirchenkreis gemeinsam suchen. Es geht also nicht darum, alles vorher erschöpfend zu klären, sondern darum, dass wir uns gegenseitig zusagen und zutrauen, aufkommende Fragen dann im neuen Kirchenkreis gemeinsam zu beantworten.

Zweitens haben wir jetzt viel mehr Kontaktpunkte als vor zwanzig Jahren: Kreiskirchenamt, Schulreferat, Öffentlichkeitsarbeit und ein reger Austausch – wir sind jetzt schon viel enger zusammen, als wir es damals waren.

Die Fragen, die uns wichtig sind, werden eine Klärung – oder zumindest eine Absicherung – bekommen müssen. Damit haben wir die Finanzausschüsse beauftragt. An den Themen zu Kommunikation und Kultur werden wir gemeinsam weiterdenken.

Zur Begegnung bekommen die Kreissynoden schon im nächsten Juni Gelegenheit. Wir werden für einige Stunden gemeinsam tagen, und ich freue mich sehr, dass der Recklinghäuser Kreissynodalvorstand unsere Einladung angenommen hat. Die gemeinsame Tagung wird am Samstag, dem 13. Juni 2026 in der Bottroper Martinskirche stattfinden, also an dem Ort, an dem der Ev. Kirchenkreis Recklinghausen 1907 gegründet wurde.

Am Ende der Klausurtagung haben wir eine Schlussrunde gemacht und geteilt, was hängengeblieben ist. Das hier sagen die Mitglieder der beiden Kreissynodalvorstände: „Die Zeit ist reif!“ „Das ist nicht kompliziert.“ „Kommunikation ist alles!“ „Ich bin einigermaßen hoffnungsfroh.“ „Es ist was in Bewegung.“ „Wo sind eigentlich die Bremsklötze?“ „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ „Wir wollen gemeinsam Kirche in dieser Region sein.“

Und ich sage: Kirche in dieser Region sein. Darum geht’s. Um mehr nicht. Und um weniger auch nicht.

Einsatz gegen Antisemitismus[3]

Einen besonderen Austausch habe ich am ersten Abend der Landessynode am vergangenen Sonntag erlebt. Der Vorsitzende des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe, Zwi Rappoport, sprach ein ausführliches Grußwort. Ihm persönlich liege der christlich-jüdische Dialog sehr am Herzen, für den bereits seine verstorbene Mutter nach der Rückkehr der Familie aus Israel nach Westfalen in den 50’er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zur Vorreiterin geworden war.

Zwi Rappoport beschrieb in einer historischen Rückschau die Sprachlosigkeit auf allen Seiten nach den Schrecken in der Zeit des Nationalsozialismus. „Umso bewundernswerter war daher der Entschluss der wenigen Gleichgesinnten, Juden und Christen, sich aus der Erstarrung zu lösen und aufeinander zuzugehen“, so der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinden.

In den folgenden Jahrzehnten habe sich trotz mancher Rückschläge ein neues Vertrauensverhältnis zwischen Juden und Christen in Deutschland entwickelt, sagte Rappoport. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 und die darauffolgenden Kriege in Gaza und im Libanon hätten indes das christlich-jüdische Verhältnis stark beeinträchtigt.

Zwi Rappoport beschrieb antisemitische und antiisraelische Ressentiments, die Juden seitdem im extremen Maße erlebten. Sie hätten, so seine Wahrnehmung, „leider auch in christlichen Kreisen Anschluss gefunden.“ Rappoport kritisierte in diesem Zusammenhang auch Formulierungen in öffentlichen Äußerungen christlicher Organisationen wie des Lutherischen Weltbundes oder des Ökumenischen Rats der Kirchen, weil dort beispielsweise kurz nach dem Hamas-Überfall lediglich von „Feindseligkeiten zwischen Israel und Palästina“ die Rede gewesen sei.

Für die jüdische Gemeinschaft in Westfalen bekräftigte ihr Vorsitzender, sie sei keineswegs bereit, den antisemitischen Kräften, woher auch immer sie kämen, das Feld zu überlassen. Er appellierte an die Vertreter*innen der Kirchen, sich dabei an ihre Seite zu stellen. „Wir brauchen noch viel mehr Engagement und Unterstützung auch und gerade von Ihnen als Christinnen und Christen, um die bis in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungenen antisemitischen Ressentiments zurückzudrängen“, sagte Rappoport.

Es gab im Anschluss eine bemerkenswerte Aussprache, die mir gezeigt hat, wie wichtig ein ausführlicher Austausch, aufmerksames Zuhören und eine nuancierte Wahrnehmung sind. Es geht nämlich, was wir in unserer Stellungnahme vor zwei Jahren versucht haben: Klar an der Seite Israels und des jüdischen Volkes den Terrorangriff der Hamas zu verurteilen, die Entscheidungen der Regierung Netanjahu zu kritisieren und mit der Zivilbevölkerung in Israel und in Palästina zu fühlen und zu leiden. Sprachlich müssen wir dabei sorgfältig sein und uns immer wieder prüfen. Wer es sich zu leicht macht, öffnet antisemitischen Denkmustern Tür und Tor.

Das Grußwort und die Aussprache können Sie sich im Internet im Nachhinein ansehen, ich kann das wirklich nur empfehlen.[4]

Die Kommunalwahl

Am 14. September wurde Bürgermeister Tobias Stockhoff in Dorsten wiedergewählt, zwei Wochen später, am 28. September, gewann Bürgermeisterin Bettina Weist die Stichwahl in Gladbeck. Am gleichen Tag wählten die Menschen in Bottrop Matthias Buschfeld zu ihrem neuen Oberbürgermeister. Wie gut, dass unsere Rathäuser damit in der Hand von demokratischen Parteien bleiben. Ich habe allen dreien herzlich zur Wahl gratuliert und sie beim Einsatz für Demokratie, Menschenwürde und die soziale Sicherheit unserer Unterstützung versichert.

Mittlerweile haben sich die Stadträte konstituiert und die Ausschüsse gegründet. Mit Staunen habe ich verfolgt, wie in Bottrop die Ausschüsse verteilt werden. Die Parteien haben jeweils nach Fraktionsstärke bei den Vorsitzen zugreifen dürfen. Wenn es dann offenbar wichtiger ist, den Vorsitz im Betriebsausschuss des Sport- und Bäderbetriebs oder im Rechnungsprüfungsausschuss als im Schulausschuss zu bekommen, dann geht der Vorsitz im Schulausschuss an die AFD. Das sagt mehr aus als manches Lippenbekenntnis, bei dem Kinder und Jugendliche in die Mitte gestellt werden.

Die Stadt Dorsten hatte mich gebeten, gemeinsam mit ökumenischen Partnern, einen Gottesdienst im Vorfeld der konstituierenden Sitzung des Rates zu feiern. Darüber habe ich mich sehr gefreut. In der wegen des Anbaus eiskalten Kreuzkirche habe ich die gewählten Ratsmitglieder und die Gäste erinnert:

Die Liebe Gottes hält die Welt zusammen, und Gott gibt die Kraft zu unserem Engagement. Auch Sie sind Gottes geliebte Kinder, mehr als Klicks und Likes, mehr als Abstimmungsergebnisse, mehr als Gewinne und Niederlagen, mehr als Ihr Amt, mehr als Ihr Kalender. Zuallererst sind auch Sie Menschen, mit unantastbarer Würde, Gottes zum Ebenbild geschaffen. Darauf können Sie sich verlassen, in aller Freude und aller Einsamkeit Ihres Leitungsamts.

Das gilt. Daran müssen wir uns in den politischen Debatten unserer Tage – ob in den Städten, im Land oder bei internationalen Klimakonferenzen – erinnern. Direkt hinter uns im Gottesdienst saßen die Vertreterinnen und Vertreter der AFD. Ihre Politik und die Haltung lehne ich ab, und doch habe ich auch über Ihnen einen Segen ausgesprochen. Wes Geistes Kinder wir als Christinnen und Christen sind, das zeigt sich nicht darin, wie wir mit denen umgehen, die so denken wie wir. Das zeigt sich darin, wie wir unsere Gegner behandeln – auch die politischen.[5]

In einer Debattenkultur, die Menschen entmenschlicht und differenzierte Meinungen in ein einfaches schwarz-weißes Muster übersetzt, wo eine andere Meinung jemanden schon zum Feind macht, ist das unsere Aufgabe: Glasklar in der Theologie und der politischen Haltung und gleichzeitig mit Respekt und Offenheit für die Menschen, denen wir begegnen. Dazu gehört auch unser Gebet für alle (!), die in unserem Gemeinwesen Verantwortung übernehmen. Nicht nur beim Gottesdienst für den Stadtrat, sondern am besten jeden Sonntag.

Wenn’s mal wieder länger dauert… (Projektstelle)

Sie werden sich erinnern: Im Sommer haben wir die Konzeption zur Begleitung von Menschen in stationären Einrichtungen beschlossen. Damit verbunden war der Antrag an die Landeskirche auf die Förderung einer Projektstelle. Wir wollen einen Gemeindepädagogen oder eine Diakonin einstellen, um uns da strategisch gut aufzustellen: für die gottesdienstliche Begleitung, aber auch, um Ehrenamtliche für den Dienst aus- und fortzubilden. Zwei Projekte wollen wir damit verbinden: den Emmaus-Kurs aus Bottrop und den Jutesegen aus dem Diakonischen Werk.

Den Antrag haben wir unmittelbar nach der Kreissynode gestellt. Beantragt haben wir die Hälfte der Personalkosten, etwa 40-50.000 Euro im Jahr. Vor anderthalb Wochen haben wir die Absage bekommen. Das Schreiben in seinem ganz eigenen Stil habe ich Ihnen auf der Internetseite eingestellt. Die Irritation darüber habe ich mit den Verantwortlichen im Landeskirchenamt besprochen. Wir warten noch auf den Bescheid, ob die jetzt nicht bewilligten Anträge auf das Folgejahr fortgeschrieben werden können und ob wir förderunschädlich auch jetzt schon beginnen könnten. Das würden wir Ihnen nämlich gerne vorschlagen: Die Kreissynode sollten den Kreissynodalvorstand bitten, die Zeitplanung des Projekts anzupassen und schnellstmöglich mit der Umsetzung zu beginnen. Sie finden einen Antrag dazu auf der Internetseite.

Ich denke: Unsere Idee ist nämlich richtig gut. Vor allem, weil es durch einen zeitlich begrenzten Einsatz von Hauptamt hier darum gehen soll, ehrenamtliche Mitarbeit in kirchlichen Kernbereichen zu ermöglichen und zu begleiten. Das ist für mich nach wie vor eine der großen Herausforderungen für uns als Kirche: Wie können wir auch mit weniger Pfarrerinnen und Pfarrern mit Seelsorge und Gottesdienst präsent bleiben – gerade in den Einrichtungen, wo die Menschen nicht einfach in die nächste Kirche kommen können.

Schluss

Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art; und hat ein Blümlein bracht, mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht.[6]

Am kommenden Donnerstag ist der 4. Dezember, der Barbaratag. Da gehe ich mit den Kindern in den Garten und schneide ein paar Zweige vom Kirschbaum im Vorgarten ab. Wenn es gut geht, treiben sie im warmen Wohnzimmer aus und blühen zu Weihnachten. Solche Barbarazweige sind eine Erinnerung daran, dass das Leben auch die tiefste Dunkelheit und den kältesten Winter übersteht.

Der Prophet Jesaja erzählt davon: Totes Holz treibt aus. Das uralte Weihnachtslied nimmt die Metapher auf. Angesichts des der Schoa dichtet Schalom Ben-Chorin:

Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht in Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?[7]

In den Kriegen und der Zerrissenheit ahne ich die Zeichen des Advents: im Dunkeln ein Licht, im Schnee eine Blüte, in der Krippe ein Kind. Sie versprechen eine Liebe, die bleibt.

Vielen Dank fürs Zuhören.


[1] EG 395.2: „Vertraut den neuen Wegen“ von Klaus Peter Hertzsch, Melodie 16. Jh.

[2] Meine Vorstellungsrede ist auf der Internetseite des Kirchenkreises unter „Superintendentur“ eingestellt.

[3] Dieser Text zitiert im Wesentlichen eine Pressemitteilung der Ev. Kirche von Westfalen (MedienInfo 42/2025) vom 24.11.2025: https://www.evangelisch-in-wes...

[4] https://www.youtube.com/watch?v=003T57lqXLM&t=2118s, ab Minute 00:35.

[5] Matthäus 5,43–48.

[6] EG 30.

[7] EG 651.

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