Predigt

Predigt

Predigt

# Predigten Superintendent

Predigt

Predigt: „Singing in the Light of God”
Martinskirche Bottrop, 25. Oktober 2025
Apostelgeschichte 16,23–40

Gnade sei mit euch…

Der Morgen dämmert über den Plantagen. Mit den ersten Sonnenstrahlen erreichen Sie den kleinen Fluss. Das Wasser ist kalt, aber es ist die Rettung. Sie waten ins Wasser, bis zu den Hüften, die Kinder tragen sie auf dem Arm oder auf den Schultern. Entgegen der Strömung ziehen sie weiter nach Norden, in Sicherheit. Sie sind leise, niemand sagt ein Wort. Nach ein paar Minuten fängt eine junge Frau leise an zu singen:

Wade in the Water,
Wade in the Water,
Children wade in the Water,
God’s gonna trouble the Water.

Sie alle kennen die Geschichte (Joh 5): Gottes Engel berührt das Wasser am Brunnen von Betesda, und wer dann hineinsteigt, der wird gesund. Und sie alle wissen auch um die geheime Botschaft des Liedes. Für Sklaven, die ihre Plantage verlassen und in den Norden fliehen, kann das Lied leben retten: Watet im Wasser. Hier können die Suchhunde nicht suchen, das wissen sie alle. Und so waten sie weiter, nach Norden, in Sicherheit.

Liebe Gemeinde, es gibt doch immer noch ein Lied zu singen. Terror und Krieg, Rassismus und Apartheid, Menschenverachtung und Frauenfeindlichkeit – trotz all dem, und vielleicht gerade wegen all dem, singen Menschen. Das haben wir immer schon gemacht.

Martin Luther, der an die Wartburg dachte, als er „Ein feste Burg ist unser Gott“ schrieb und damit allen Mut machen wollte, die sich in der jungen Reformation für die Freiheit des Glaubens stark machten.

Bob Dylan, der mit „Blowin‘ in the wind“ ein Lied für die Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten schrieb. Und Sam Cooke, der mit „A change is gonna come” die Hoffnung auf das Ende des Rassismus dort stark machte.

Oder „Asimbonanga“ von Johnny Clegg und Savuka, die beklagen, dass Nelson Mandela als politischer Häftling während der Apartheid in Südafrika verschwunden war. Oder „Gimme hope Joanna“ von Eddie Grant, das sich an die Stadt Johannesburg richtet und unter anderem vom friedvollen Erzbischof Desmond Tutu singt.

Natürlich die Spirituals, mit denen die Sklaven in den Vereinigten Staaten ihre Sehnsucht nach Frieden in Musik gekleidet haben: „We shall overcome“ oder „When the Saints go marching in“ oder „Go down, Moses“.

Oder Jimmy Somerville, der Sänger von Bronski Beat, die Anfang der 80er Jahre in „Smalltown Boy“ über einen schwulen jungen Mann sangen, der seine kleine Heimatstadt und seine Familie verlassen muss, und die damit eine Hymne der LGBTQ*-Bewegung geschrieben haben.

Oder Westernhagen: „Freiheit ist die einzige, die fehlt.“ Er sagt, er hat das gar nicht politisch gemeint, und doch ist es wichtiges Lied bei den Montagsmärschen in Ostdeutschland geworden.

Singen ist ein urmenschlicher Ausdruck der Hoffnung. Selbst, wenn es Klagelieder sind: Wo gesungen wird, ist Hoffnung.

So wird es auch bei Paulus und Silas gewesen sein, ich kann es mir nicht anders denken, als dass sie gesungen haben in dieser Nacht im Gefängnis. Heute hätten sie vielleicht „Wade in the Water“, vielleicht „Meine Hoffnung und meine Stärke“, vielleicht auch „A Change is gonna come“ gesungen. Oder Lieder von damals, den 121. Psalm zum Beispiel:

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom HERRN, der Himmel und Erde gemacht hat.

Wo gesungen wird, fängt die Freiheit an. Denn sie fängt im Kopf an und im eigenen Körper. Forscher haben herausgefunden: Wer singt, stärkt seine Gesundheit. Beim Singen beanspruchen wir etwa 100 Muskeln – vom Kehlkopf bis zum Bauch. Beteiligt sind unter anderem das Zwerchfell, die Lunge, die im Kehlkopf befindlichen Stimmlippen und der sogenannte Vokaltrakt, zu dem Rachen, Mund und Nase gehören. Der Ton wird tiefer, wenn die Stimmlippen entspannter sind, also mehr Platz für die Luft gelassen wird. Singen ist gesund, weil es unter anderem: das Herz-Kreislauf-System stärkt, die Atmung intensiviert, entspannend wirkt, Ängste lösen und Stress abbauen kann. Ich hoffe, ihr habt heute etwas davon gespürt!

Gott achtet mich, wenn ich arbeite.
Und Gott liebt mich, wenn ich singe.

So sagt es ein indischer Philosoph, und das glaube ich auch. Denn so hat uns Gott uns im Sinn: den Atem hat Gott uns Menschen schließlich ganz am Anfang gegeben. Intensiv atmend, entspannt, ohne Angst und ohne Stress. Deshalb liebt Gott, wenn wir singen.

Und auch, weil es uns Menschen zusammenführt. Paulus und Silas haben zusammen gebetet und Gott gelobt und gesungen an diesem Abend im Gefängnis in Philippi.

Nach und nach lösen sich die Fesseln. Die inneren, und dann die äußeren. Freiheit. Wo gesungen wird, ist Hoffnung.

Aber die Geschichte von Silas und Paulus endet hier noch nicht. Der Gefängniswärter sieht die Freiheit der Kinder Gottes und lässt sich anstecken: Er lässt sich und sein Haus taufen. Und dann kamen die Boten mit der Nachricht: Ihr könnt gehen. Doch Paulus und Silas machen es den Richtern nicht so einfach:

Ihr habt uns ungerechtfertigt festgehalten und eingekerkert, jetzt müsst ihr uns auch aufrichten und selbst in die Freiheit führen. Und so kommt es dann auch. Paulus war römischer Staatsbürger, den hätten sie in der Tat nicht verhaften dürfen.

Es geht hier nicht nur um Freiheit. Es geht darum, aufrichtig zu sein und Leid anzuerkennen. Denn was wäre, wenn wir nicht Paulus und Silas sind, sondern die Offiziellen in Philippi?

Den Rassismus und den Antisemitismus unserer Tage werden wir nicht mit einem Schulterzucken und schönen Grüßen besiegen können. Es ist an uns, die Unterdrückten und Gefangenen von heute in die Freiheit zu führen.

Die Frauenfeindlichkeit unserer Tage können wir Männer doch nicht zum ‚Frauenthema‘ machen: Es ist an uns, uns gegen Gewalt gegen Frauen einzusetzen!

Freiheit ist also das eine, gesellschaftliche Anerkennung das andere.

Ich bin gewiss, dass wir das schaffen werden. Mit Humor. Mit tiefem, intensivem Atmen. Mit Paulus und Silas als Vorbild. Mit manchem Klagelied, auch. Mit Liedern, die uns bewegen, die uns Mut machen, die uns von Freiheit für alle träumen lassen.

Nach und nach lösen sich die Fesseln. Die inneren, und dann die äußeren. Freiheit. Wo gesungen wird, ist Hoffnung. Deshalb singen wir ‚in the light of God‘, in Gottes Licht und vor Gottes Angesicht, und wir singen zusammen mit allen, die vor uns nach uns singen und träumen und sich sehnen nach dem Reich Gottes, in dem Schwerter zu Pflugscharen werden und alle Menschen im Frieden leben. Davon träume ich, und mein Traum wird mein Lied sein. Amen.

Dies könnte Sie auch interessieren