17/12/2025 0 Kommentare
Predigt zum 2. Advent
Predigt zum 2. Advent
# Predigten Superintendent

Predigt zum 2. Advent
Ansprache Altendorf-Ulfkotte
2. Sonntag im Advent, 7. Dezember 2025
Gnade sei mit euch…
Liebe Festgemeinde!
So nehmet euch eins um das andere an,
wie auch der HERR an uns getan.
Das Adventslied, mit dem wir eben die zweite Kerze angezündet haben, nimmt einen Vers aus der Epistel auf. Da schreibt Paulus an die Gemeinde in Ephesus:
Darum nehmt einander an,
wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes!
Wir feiern heute mit Ihnen den 50. Jahrestag der kommunalen Neuordnung, mit der Altendorf-Ulfkotte 1975 ein Stadtteil Dorstens wurde. Das ist auch eine Geschichte vom einander Annehmen und vom Zusammenwachsen. Eine Dorfgemeinschaft ist immer nur so stark wie die Gemeinschaft der Menschen untereinander.
Das Adventslied und der Vers aus dem Epheserbrief erinnern uns heute daran, dass Gott sich auf viele Weisen ehren lässt. Mit Gottesdiensten, Liedern und natürlich im Gebet. Und mit der guten Gemeinschaft eben auch. Da, wo Menschen einander annehmen, da ehren sie Gott damit. Jesus sagt: Was ihr für meine geringsten Geschwister tut, das tut ihr für mich. Sankt Martin lässt grüßen. Und auch der Heilige dieser Tage, der sich hier ja auch später noch zeigen wird, Nikolaus von Myra, erinnert daran: Er ehrt Gott, indem er sich um arme Kinder kümmert und seinen Reichtum mit ihnen teilt. Indem er Korn unter die hungrigen Menschen seiner Stadt bringt, damit sie Brot backen können. In dem er – Schutzpatron der Seeleute – denen beisteht, in deren Leben es gerade im wahrsten Sinne des Wortes stürmt, denen, die gerade im wahrsten Sinne des Wortes untergehen.
Darum nehmt einander an,
wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes!
Dann können wir uns mal auf die Schultern klopfen, Gott sei Dank, bei uns sind ja alle willkommen. In Altendorf-Ulfkotte und in unseren Kirchen auch. Und wie wir da gerade so zufrieden sind, da tritt Johannes der Täufer in die Mitte.
Schlangenbrut! Kehrt um! Die Axt ist schon an den Baum gelegt!
Vorbei die selbstgewisse Feststimmung. Betretene Blicke zu Boden. Muss das jetzt sein?
Und dann schauen die ersten wieder hoch und merken: Der Ruf in die Umkehr – das gilt uns. Gerade und vor allem, wenn wir uns zufrieden in unserer Nächstenliebe eingerichtet haben. Wenn wir die Annahme der Menschen institutionalisiert haben. Wenn wir uns abgefunden haben, damit, dass eben doch nicht alle gleichermaßen gemeint sind, wenn wir sagen: „Nehmt einander an.“
Denn es sind ja nicht alle (!) hier heute Vormittag. Es sind auch nicht alle dabei an diesem Festwochenende. Es leben zu viele Kinder in Armut, auch in unserer Stadt. Es leben Geflüchtete in Unterbringungseinrichtungen, die warten, wann die Polizei kommt, um sie abzuholen und in eine ungewisse Zukunft abzuschieben – womöglich ohne ihre Angehörigen. Es leben Betroffene von Gewalt unter uns, und viel zu viele, die gerade jetzt zu Weihnachten Angst haben. Vor der Familie, vor der Einsamkeit, vor dem Alkohol.
Selig sind die, die wissen,
dass sie mit der Nächstenliebe nie fertig werden.
Oder, wie es Martin Luther in der ersten seiner 95 Thesen formuliert hat:
Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht „Tut Buße“, hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.
Der Ruf in die Umkehr gehört in die Adventszeit, und er passt auch: Gerade jetzt brauchen wir die Erinnerung, dass wir nicht alles kaufen können – und auch nicht brauchen. Dass wir nicht fertig sind und auch nicht werden. Dass wir Menschen sind, die Fehler machen, und die auf Vergebung und Menschenfreundlichkeit angewiesen sind.
Umkehr also, immer wieder neu den Kompass rausholen und schauen, wo bin ich, wo sind die anderen Menschen (nicht nur die, die ich gut kenne und die so sind wie ich) und wo ist Gott? Und dann einen neuen Kurs suchen.
Diese Umkehr wird sich zeigen: Johannes sagt: „Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt, und beruft euch nicht auf Abraham als euren Vater.“ Gott lässt sich ehren, wenn wir einander annehmen und gut achtgeben, aufeinander und auf die, die heute nicht dabei sind.
Der amerikanische Senator Cory Booker hat im Frühjahr eine über 24 Stunden lange Rede im amerikanischen Senat gehalten, ein so genanntes Filibuster. Und darin hat er gesagt:
Bevor du mit mir über deine Religion sprichst, zeige sie mir zuerst darin, wie du andere Menschen behandelst; bevor du mir erzählst, wie sehr du deinen Gott liebst, zeige mir, wie sehr du alle seine Kinder liebst; bevor du mir von deiner Leidenschaft für deinen Glauben predigst, lehre mich ihn durch dein Mitgefühl für deine Mitmenschen.
Ich glaube, er hat das mit der Umkehr ziemlich genau verstanden. Alle 50 Jahre eine Neuordnung – das reicht vielleicht bei kommunalen Gebietsreformen, aber nicht im Alltag von uns Christenmenschen.
Dabei geht es nur darum, weiterzugeben, was wir selbst empfangen haben. Einander so anzunehmen, wie Jesus Christus uns angenommen hat! Das Kind in der Krippe, das uns annimmt, wie wir sind, steht am Anfang. Diese Erfahrung wollen wir weitergeben, aus Dankbarkeit. Gott gebe uns, die Menschen so anzusehen, wie das Kind in der Krippe uns ansieht.
Heute, morgen und noch 50 Jahre.
Amen.
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